Probleme rund um das polnische Verfassungsgericht



Das Verfassungsgericht der Republik Polen (poln. TrybunaƂ Konstytucyjny) ist ein Staatsorgan, welches die Einhaltung der polnischen Verfassung sichert. Das Verfassungsgericht  ĂŒberprĂŒft Gesetze und andere Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung Polens. Es urteilt ĂŒber die Vereinbarkeit der Gesetze mit den ratifizierten völkerrechtlichen VertrĂ€gen, ĂŒber Kompetenzstreitigkeiten zwischen zentralen verfassungsmĂ€ĂŸigen Staatsorganen sowie ĂŒber die Vereinbarkeit von Zielen und TĂ€tigkeiten politischer Parteien mit der Verfassung.

Im Dezember 2015 trat ein Gesetz zur Refomierung des polnischen Verfassungsgerichts in Kraft. Die Reform war schon vom Anfang an sehr umstritten. FĂŒr das Gesetz stimmten die Abgeordneten der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die jetzt die Mehrheit im polnischen Parlament haben. Die Kritiker der Reform bezeichneten diese als einen Versuch, das Gericht handlungsunfĂ€hig zu machen und die polnische Demokratie zu untergraben.

Durch die neue Reform sollen Richter ihre Entscheidung nur mit Zweidrittelmehrheit treffen können (und nicht mehr mit einfacher Mehrheit). Das Gesetz sieht zudem vor, dass ĂŒber FĂ€lle ein Gremium aus mindestens 13 der insgesamt 15 Verfassungsrichter befinden muss.  Das neue Gesetz sieht eine chronologische Abarbeitung der FĂ€lle vor – das bedeutet, dass zwischen Vorlage und Bearbeitung Jahre vergehen können. Eine verpflichtende drei- bis sechsmonatige Frist von der Anrufung des Gerichts bis zur UrteilsverkĂŒndung ist auch in der Reform vorgesehen – zuvor waren es nur zwei Wochen.

Die Richter des polnischen Verfassungsgerichts, Juristen und Politiker der Opposition haben in dem Reformgesetz der Regierung einen Verfassungsbruch und einen Versuch, die staatliche Kontrolle ĂŒber das höchste Gericht im Land zu verstĂ€rken, gesehen. Die Regierungspartei wies dagegen daraufhin, dass im Juni 2015 die untere Kammer des polnischen Parlaments (Sejm) mit den Stimmen der damals regierenden Koalition ein Gesetz ĂŒber das Verfassungsgericht verabschiedete, welches vorsah, die Nachfolger von fĂŒnf im November und Dezember 2015 ausscheidenden Richtern zu benennen. Am 8. Oktober wurden auch die  fĂŒnf neuen Richter gewĂ€hlt, die jedoch vom neuen polnischen PrĂ€sidenten, Andrzej Duda (der mit der neuen regierenden Partei, der PiS, verbunden ist) nicht förmlich ernannt wurden.

Mehrere Oppositionsparteien, Rechtsexperten und das Oberste Gericht haben gegen das neue Gesetz geklagt. Das umstrittene Gesetz ist laut einem Urteil des Verfassungsgerichts vom 9. MĂ€rz 2016 verfassungswidrig. Das Gericht fĂŒhrte aus, dass mehrere Vorschriften des Gesetzes nicht mit der Verfassung vereinbar sind, darunter etwa auch die eingefĂŒhrte Zweidrittelmehrheit als Bedingung fĂŒr ein gĂŒltiges Urteil, die Vorgabe, dass das Gericht aus mindestens 13 Richtern bestehen muss sowie die chronologische Behandlung der FĂ€lle. "Das Gesetz verhindert eine zuverlĂ€ssige und reibungslose Arbeit des Gerichts", so der Vorsitzende des Verfassungsgerichts Andrzej Rzeplinski.

Die neue Regierung will jedoch den Richterspruch nicht anerkennen. MinisterprĂ€sidentin Beata SzydƂo hatte schon vor Utreilsbekundung angedeutet, dass sie das Urteil nicht anerkennen wird, weil das Gericht die neuen Verfahrensregeln, die es zu prĂŒfen hatte, bei der PrĂŒfung selbst noch nicht angewandt hatte. Sie sieht das Urteil des Verfassungsgerichts als  eine „informatorische Mitteilung“ und mit dieser Behauptung weigert sie sich, das Urteil zu publizieren, da ihrer Ansicht nach die Veröffentlichung einer „informatorischen Mitteilung“ im Gesetzblatt gegen die Verfassung verstoßen wĂŒrde.

Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts Andrzej Rzeplinski fĂŒhrt dagegen aus, dass zu den Aufgaben des Verfassungsgerichts die Sicherung der Übereinstimmung von Gesetzen mit der Verfassung gehört und es unzulĂ€ssig ist, dem Gericht diese Aufgabe zu entziehen. Die drastische BeschrĂ€nkung des Handlungsspielraums durch das Gesetz zielt auf den Kern der Staatsform der Republik Polen und kann nicht toleriert werden. Die Venedig-Kommission des Europarats beurteilte am 11. MĂ€rz die GesetzesĂ€nderungen als "SchwĂ€chung der EffektivitĂ€t des Verfassungsgerichts und damit einhergehend eine mögliche GefĂ€hrdung der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit“ in Polen. Zahlreiche Rechtsexperten sprachen sich eindeutig gegen die Reform aus. So etwa Professor Andrzej Zoll, ein ehemaliger Vorsitzender des Verfassungsgerichts und ehemaliger BĂŒrgerrechtsbeauftragter unterstreicht, dass das Verfassungsgericht nur an die Verfassung  gebunden ist. Das bedeutet, dass das Gericht in diesem Fall nicht unbedingt in Rahmen des Gesetzes ĂŒber das Verfassungsgericht verfahren muss. Diese Meinung teilt auch Frau Professorin Ewa Ɓętowska, eine ehemalige Verfassungsrichterin. Frau Ɓętowska weist daraufhin, dass die Regierung nicht ermĂ€chtigt ist, selbst darĂŒber zu entscheiden, ob ein Urteil gĂŒltig oder nicht gĂŒltig ist, was jedoch die MinisterprĂ€sidentin Beata SzydƂo tat. Die MinisterprĂ€sidentin hat nicht die Befugnis, das Urteil anzuzweifeln, sodern die Pflicht, dieses zu veröffentlichen.

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