Anwaltszwang im polnischen Strafverfahren

 
Die polnische Strafprozessordnung untersagt einem Rechtsanwalt/Rechtsbeistand eine Kassation im eigenen Namen beim Obersten Gericht einzulegen, wenn er selbst deren Partei ist. Art. 526 §2 polStPO schreibt nämlich vor, dass die Kassation von einem Verteidiger oder Bevollmächtigten, der Anwalt oder Rechtsbeistand ist, auszufertigen und zu unterzeichnen ist sofern der Kassationsführer kein Staatsanwalt, Justizminister, Generalstaatsanwalt, Ombudsmann oder Kinderbeauftragter ist. Das bedeutet, dass ein professioneller Anwalt in diesem Verfahren auch der Vertretungspflicht unterliegt und dadurch sich selbst nicht verteidigen kann. Viele Anwälte argumentieren, dass diese Vorschrift den verfassungsgeschützten Anspruch auf rechtliches Gehör sowie den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes verletzt. Dementgegen steht die Meinung, dass ein Anwalt sein eigener Verteidiger nicht sein darf, weil der Status des Verteidigers und des Betroffenes miteinander unvereinbar ist. Dieser Auffassung war auch das Oberste Gericht in seiner Entscheidung vom 10. 04.2014 AZ: VI KZ 4/14., in der es einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Rechtsmittelgerichts über Ablehnung der Kassation nicht stattgab, gerade deswegen, weil der Kassationsführer Rechtsbeistand war und eigene Kassation selbst ausgefertigt und unterschrieben hat und sich selbst vor Gericht verteidigen wollte. Das Oberste Gericht hat konkretisiert, dass der Verteidiger/Bevollmächtigte diesen Prozessschriftsatz nicht nur unterschreiben sondern auch vollständig ausfertigen muss. Bloße Unterschrift unter dem durch den beschuldigten Rechtsbeistand ausgefertigten Schreiben reichte nicht. Wer bei dem Streit Recht hat, wird demnächst das Verfassungsgericht entscheiden.

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