Polnisches Behindertenrecht – ein Überblick




Einleitung
Dem Behindertenrecht schenkt man in Polen, anders als in Deutschland, noch wenig Beachtung. Einzelne Vorschriften unterschiedlicher Gesetze lassen sich zu diesem Rechtsgebiet zusammenfassen, doch das Thema wird immer noch als marginal betrachtet. Das Behindertenrecht wird damit meistens durch die Behindertenvereine/- verbände kurz beschrieben und bearbeitet.

Begriff des Behinderten
Der Behinderte ist eine Person mit Behinderung. Die Definition der Behinderung ist daher hier zu beachten. Die Behinderung ist nämlich permanente oder periodische Unfähigkeit, soziale Rollen durch ständige oder dauerhafte Beeinträchtigung des Körpers zu erfüllen, die insbesondere Erwerbsunfähigkeit verursacht (Gesetz vom 27.08.1997 über die berufliche und soziale Rehabilitation der behinderten Menschen – Polnisches Gesetzblatt aus dem Jahr 1997 Nr. 123, Pos. 776).

Einen allgemeingültigen Begriff der Behinderung oder einer Person mit Behinderung gibt es jedoch leider nicht, denn er wird in verschiedenen Gesetzen zu unterschiedlichen Zwecken auch unterschiedlich erklärt.

Die Verfassung und das Behindertenrecht
Auch die Verfassung der Republik Polen setzt sich mit dem Thema der Behinderung auseinander. In der Präambel etwa findet sich das Gebot der Solidarität und der Achtung der Menschenwürde.

Relevante verfassungsrechtliche Vorschriften, die als Grundlagen des Behindertenrechts anzusehen sind, sind jedoch:

Artikel 30
Die Würde des Menschen ist ihm angeboren und unveräußerlich. Sie bildet die Quelle der Freiheiten und Rechte des Menschen und des Staatsbürgers. Sie ist unverletzlich, ihre Beachtung und ihr Schutz ist Verpflichtung der öffentlichen Gewalt.

Artikel 32
1. Alle sind vor dem Gesetz gleich. Alle haben das Recht, von der öffentlichen Gewalt gleich behandelt zu werden.
2. Niemand darf aus irgendwelchem Grund auch immer im politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Leben diskriminiert werden.

Artikel 68
1. Jedermann hat das Recht auf Schutz der Gesundheit.
3. Die öffentliche Gewalt ist verpflichtet, den besonderen Schutz der Kinder, Schwangeren, Behinderten und Älteren zu sichern.

Artikel 69
Gemäß dem Gesetz leistet die öffentliche Gewalt behinderten Personen Hilfe bei der Sicherung des Daseins, der Vorbereitung auf Arbeit und der gesellschaftlichen Kommunikation.

Die Förderung und Schutz der Menschen mit Behinderungen ergibt sich auch aus anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften, die oben genannte bilden aber die Grundlage.

Begutachtung
Menschen mit Behinderungen erhalten offizielle Anerkennung ihrer Behinderung auf Antrag. Zuständig sind die Kreiskollegien zur Begutachtung der Behinderung (pol. Powiatowe Zespoly ds. Orzekania o Niepelosprawnosci). Zugleich wird auch der Grad der Behinderung begutachtet (leicht, mittel oder beträchtlich/schwer).

Das Gutachten enthält grundlegende Informationen über die Ursache der Behinderung des Inhabers, den Grad der Behinderung mit Angabe der Rehabilitations-, Behandlungshinweise, sowie Hinweise zur Hilfsmittel, sowie Hinweise auf bestimmte Rechte.

Dies wird vorausgesetzt, wenn eine behinderte Person von den ihr zustehenden Privilegien Gebrauch machen will (etwa bei Beschäftigung in der Form von Subventionen).

Der Grad der Behinderung kann auch von medizinischen Prüfern oder der Sozialversicherungsanstalt bestimmt werden. Solche Gutachten sind bei Rentenansprüchen notwendig.

Internationales und EU-Behindertenrecht  als Teil des polnischen Behindertenrechts
Einen Teil des polnischen Behindertenrechts bilden auch verschiedene Konventionen, Übereinkommen und das EU-Recht. Zu den wichtigsten zählen insbesondere die UN-Behindertenrechtskonvention (mit 2 Vorbehalten), EU-Richtlinien sowie die Europäische Menschenrechtskonvention.

Behindertenrecht
Das polnische Behindertenrecht umfasst insbesondere folgende Regelungen:
1) Das Gesetz vom 3.12.2010 über Implementierung einiger EU-Vorschriften über Gleichbehandlung (86/613/EWG, 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG, 2006/54/EG) – Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung, positive Maßnahmen, Entschädigung wegen Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung
2) Arbeitsgesetzbuch und andere arbeitsrechtliche Gesetze – besondere Förderung der Behinderten (Unterstützung der Ausstattung eines barrierefreien Arbeitsplatzes, geschützte Werkstätte, längerer Urlaub, mehr Pausen usw., finanzielle Vorteile für Arbeitgeber, wenn sie Menschen mit Behinderung beschäftigen)
3) Behindertenrechtscharta – Beschluss der unteren Kammer des polnischen Parlaments (Sejm) vom 1.8.1997
4) Baugesetz und Verordnungen – Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, auf Straßen; PFRON – finanzielle Unterstützung barrierefreier Architektur und Kommunikation, spezielle Parkplätze
5) Verschiedene Gesetze im Bereich des Gesundheitssystems – Finanzierung der Rehabilitationsmittel wie Brille, Prothesen usw.; Sanitärtransport (kostenfrei),
6) Bildung – gleicher Zugang, Sonderschulen aber auch Integrationsklassen (Sondergutachten, Empfehlungen des speziellen Bildungsbedarfs, Ausgleichsstunden, spezielle Pädagogen), Hochschulen – Beauftragte, spezielle Stipendien, spezielle Förderungsprogramme (PFRON – jetzt Kommune)
7) Steuerrecht – Minderung der Lohnsteuerbasis bei Heilmittel, Rehabilitationsmittel, Urlaub im Kurort usw.
8) Barrierefreiheit im Netz – Programm von PFRON
9) Ermäßigungen im Transport (auch von Begleitpersonen), Bahn, Flugverkehr
10) Barrierefreiheit bei Wahlen
11) Barrierefreiheit in der Kommunikation (Internetseiten von Ämtern u.ä.)