EuropÀischer Haftbefehl



Der EuropĂ€ische Haftbefehl (pol. europejski nakaz aresztowania) ist ein Instrument zur europaweiten Durchsetzung eines nationalen Haftbefehls, das auf einem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 ĂŒber den europĂ€ischen Haftbefehl beruht. Damit wurde die Zusammenarbeit im Justizbereich in der EU sehr erfolgreich erweitert. Hierbei handelt sich nĂ€mlich nicht um einen selbstĂ€ndigen neuen Haftbefehlstyp sondern um den Antrag einer gerichtlichen Instanz eines EU-Staates gegenĂŒber einem anderen EU-Staat auf die einfache und schnelle Übergabe eines VerdĂ€chtigen oder Verurteilten, der sich zu dem Zeitpunkt in dem anderen Staat aufhĂ€lt. Das bedeutet, dass im jeweiligen Mitgliedsstaat deshalb zunĂ€chst ein eigenstĂ€ndiger Haftbefehl nach den jeweiligen nationalen Vorschriften vorliegen muss. Diese Regelungen haben in der EuropĂ€ischen Union das traditionelle, lange und komplizierte Auslieferungsverfahren ersetzt, wofĂŒr in Polen ein diplomatischer Weg als Regel vorgeschrieben ist. Bei dem EuropĂ€ischen Haftbefehl steht die Diplomatie im Hintergrund. Vielmehr handelt es sich hier um die direkte Zusammenarbeit der Justizbehörden der Mitgliedsstaaten der EuropĂ€ischen Union ohne Inanspruchnahme des diplomatischen Weges. Damit können die Strafverfolgungsorgane innerhalb der EU effektiver funktionieren.

In Polen befinden sich die Vorschriften betreffend den europĂ€ischen Haftbefehl im Strafprozessgesetzbuch. ZusĂ€tzlich zu diesen neuen Regelungen wurde vom polnischen Justizminister eine Verordnung erlassen, nach der sich die Form des Haftbefehls richten soll und welche dem Muster aus dem Anhang zum Rahmenbeschluss ĂŒber den europĂ€ischen Haftbefehl entspricht.

Die Grundlage fĂŒr den Erlass eines Haftbefehls liefert art. 607a des Strafprozessgesetzbuches:

„Besteht der Verdacht, dass sich der Verfolgte wegen einer auf dem Hoheitsgebiet der Republik Polen begangenen Straftat im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der EuropĂ€ischen Union aufhĂ€lt, so kann das örtlich zustĂ€ndige Landgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, im Gerichts- und Vollstreckungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag des zustĂ€ndigen Amtsgerichts, einen EuropĂ€ischen Haftbefehl erlassen“

Die Vorschrift regelt, wann ein solcher Haftbefehl erlassen werden darf und welche Organe dafĂŒr zustĂ€ndig sind. Laut der Vorschrift es also dann möglich, wenn eine Verdacht besteht, dass der StraftĂ€ter sich im Gebiet der EU aufhĂ€lt. Dies ist aber nicht sehr restriktiv auszulegen. Das Justizorgan muss es nicht beweisen können, wo sich der StraftĂ€ter aufhĂ€lt. Vielmehr reicht hier die Wahrscheinlichkeit aus, die schon das Verfahren auslösen kann.

In dem Antrag anzugeben sind:

* die Bezeichnung des ausstellenden Gerichts unter Angabe seiner Anschrift, Telefon- und Faxnummer sowie seiner E-Mailadresse,
* das Ausstellungsdatum und der Ausstellungsort des Haftbefehls,
* Angaben zur IdentitÀt und zur Staatsangehörigkeit des Verfolgten,
* das Aktenzeichen, die Art und der Inhalt der rechtskrÀftigen oder vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung, in Bezug auf welche der Haftbefehl ausgestellt wurde,
* die Beschreibung der Tat sowie deren rechtliche Qualifikation,
* das gesetzliche Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe fĂŒr die Straftat, derentwegen das Verfahren anhĂ€ngig ist, oder die Höhe der verhĂ€ngten Freiheitsstrafe oder der Maßnahme der Freiheitsentziehung,
* eine kurze Beschreibung des Sachverhalts,
* die Bezeichnung der nicht vom gesetzlichen Tatbestand umfassten Folgen der Straftat.

Dabei ist es sehr wichtig, dass die infolge der Vollstreckung des Haftbefehls ĂŒbergebene Person nicht wegen Straftaten verfolgt werden darf, die der Übergabe nicht zugrunde liegen (stehen nicht im Antrag auf Übergabe, sind keine GrĂŒnde zur Beantragung des EuropĂ€ischen Haftbefehls). Auch dĂŒrfen wegen solcher Straftaten gegenĂŒber der Person verhĂ€ngte Freiheitsstrafen oder andere Maßregeln der Freiheitsentziehung nicht vollstreckt werden. Davon gibt es Ausnahmen, zum Beispiel im Fall wenn die ĂŒbergebene Person das Hoheitsgebiet der Republik Polen nicht innerhalb von 45 Tagen ab dem Tag des rechtskrĂ€ftigen Verfahrensabschlusses verlassen hat oder wenn der Verfolgte seine Zustimmung zur Übergabe und den Verzicht auf das in § 1 bezeichnete Recht erklĂ€rt hat.

Soll ein polnischer StaatsbĂŒrger oder ein in Polen anerkannter Asylant zur Strafverfolgung an einen EU-Mitgliedstaat ĂŒbergeben werden, ist die Zustimmung des Betroffenen grundsĂ€tzlich erforderlich. Das Gesetz kennt auch absolute AblehnungsgrĂŒnde fĂŒr die Verweigerung der Vollstreckung des EuropĂ€ischen Haftbefehls. So ist er zu verweigern, wenn zum Beispiel:

* die Straftat, bezĂŒglich welcher der EuropĂ€ische Haftbefehl ergangen ist und, die unter die polnische Strafgerichtsbarkeit fĂ€llt, aufgrund einer Amnestie erlassen wurde
* bezĂŒglich des Verfolgten eine rechtskrĂ€ftige Entscheidung ĂŒber die Übergabe an einen anderen Mitgliedstaat der EuropĂ€ischen Union ergangen ist oder wenn es die BĂŒrgerrechte und -Freiheiten und Menschenrechte und -Freiheiten verletzten wĂŒrde oder der EuropĂ€ische Haftbefehl aufgrund einer Tat erlassen wurde, die ohne Gewaltanwendung und aus politischen GrĂŒnden begangen wurde.

Die Verweigerung der Vollstreckung des Befehls ist es laut Gesetz auch möglich, wenn die Tat, die dem EuropĂ€ischen Haftbefehl zugrunde liegt, nach dem polnischen Recht keine Straftat darstellt.  Eine weitere Möglichkeit besteht auch dann, wenn fĂŒr die Straftat, die dem EuropĂ€ischen Haftbefehl zugrunde liegt, in dem Staat, der den EuropĂ€ischen Haftbefehl erlassen hat, eine lebenslange Freiheitsstrafe oder andere Maßregel der Freiheitsentziehung verhĂ€ngt werden kann, die nicht verkĂŒrzt werden kann.