Sammelklage in Polen – eine Übersicht



Eine Sammelklage (pol. pozew zbiorowy o. postępowanie grupowe) ist eine zivilrechtliche Klage, bei welcher eine große Anzahl von Parteien ihre Ansprüche in einem einzigen Verfahren geltend machen kann. Das Gesetz über die Geltendmachung von Ansprüchen im Gruppenverfahren (Ustawa o dochodzeniu roszczeń w postępowaniu grupowym; Dz.U. 2010 nr 7 poz. 44) hat sie mit dem 19. Juli 2010 in Polen eingeführt und damit die Möglichkeit eröffnet, eine solche besondere Verfahrensart in Anspruch zu nehmen. Das Gruppenverfahren sollte Gerichte entlasten: Anstatt vieler Prozesse wird nur ein Prozess geführt und damit auch das Verfahren beschleunigt. Darüber hinaus sollte es auch Ansprüchen mit niedrigerem Wert zum Durchbruch verhelfen. Wenn der Streitwert relativ niedrig ist, ist es für den Einzelkläger manchmal zu riskant, selber seinen Anspruch geltend zu machen. Eine Sammelklage kann dann eine geeignete Alternative sein.
 
Der erste Artikel des Gesetzes über die Geltendmachung von Ansprüchen im Gruppenverfahren definiert dieses Verfahren vollständig und gibt ihm einen rechtlichen Rahmen. Demnach ist dieses Gesetz auf gerichtliche Zivilverfahren anwendbar, in denen gleichartige Ansprüche verfolgt werden, die auf demselben oder dem gleichen Sachverhalt beruhen und von mindestens 10 Personen geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass mindestens 10 Personen bei der Klageerhebung die Klageschrift unterschreiben müssen, um dem Gericht deutlich zu machen, wer den gerichtlichen Rechtsschutz erstrebt. Nur die Teilnehmer der Gruppenklage, diese bestimmte Klägergruppe, werden im Endeffekt von dem gerichtlichen Urteil betroffen. Für die Gruppenklage ist, laut Art. 4 des Gesetzes, ein Gruppenvertreter auszuwählen, der die übliche Rolle eines Klägers im zivilrechtlichen Verfahren übernimmt und die Gruppe in dem Verfahren vertritt (insbesondere ist er derjenige, der die Klage beim Gericht einbringt und das Verfahren im eigenem Namen führt, aber für alle Teilnehmer der Gruppenklage). Art. 4 Abs.4 des Gesetzes schreibt darüber hinaus einen Rechtsanwalts-/Rechtsbeistandszwang vor, d.h. der Kläger des Gruppenverfahrens muss sich durch einen Fachjuristen vertreten lassen. Auch wenn die Gruppe durch einen Beauftragten für Verbraucherrechte vertreten wird, bleibt der Rechtsanwaltszwang bestehen - so das Oberste Gericht in seinem Beschluss (III CZP 28/11).

Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes regelt seine sachliche Anwendung. Hiernach ist das Gruppenverfahren auf folgende Ansprüche zulässig:

- Ansprüche aus dem Verbraucherschutzrecht (Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern) zum Beispiel Ansprüche aus den Verbraucherverträgen, wie Mietvertrag oder Kaufvertrag

- Ansprüche aus der Haftung für den durch ein gefährliches Produkt verursachten Schaden, zum Beispiel wenn ein Produkt irreführende Informationen enthält und es dadurch zu einem Unfall kommt haftet der Produzent für den daraus entstandenen Schaden, Schadensersatzansprüche kommen in Betracht

- Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung (rechtswidriges Verhalten) mit der Ausnahme von Ansprüchen aus Verletzung von Persönlichkeitsrechten (zum Beispiel Ansprüche auf Schadensersatz wegen Gesundheitsschädigung)

Diese müssen auch für alle Mitglieder der Gruppe auf dergleichen oder derselben faktischen Grundlage beruhen. Das zuständige Gericht entscheidet über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Gruppenklage in der ersten Phase des Verfahrens, die auch „certyfikacja postępowania grupowego“ (Zertifizierung des Gruppenverfahrens) genannt wird. Hier entscheidet das Gericht, ob die oben genannten gesetzlichen Mindestvoraussetzungen an das Gruppenverfahren erfüllt sind und ob die Gruppe damit einen gerichtlichen Rechtsschutz erlangen kann. Laut Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes wird die Klage durch das Gericht abgewiesen, wenn die Streitigkeit in einem Gruppenverfahren nicht zu entscheiden ist. Andernfalls wird das Gericht einen Beschluss über die Verhandlung der Streitigkeit im Gruppenverfahren erfassen.

Gegen diesen Beschluss kann eine Beschwerde eingelegt werden. Hier handelt es sich nicht nur um die Beschwerde gegen die Abweisung der Rechtssache durch das Gericht sondern auch gegen die gerichtliche Annahme zur Entscheidung. Beschwerdebefugt sind hier der Kläger sowie der Beklagte.

Hier muss betont werden, dass im Gruppenverfahren die Bezirksgerichte sachlich zuständig sind, unabhängig von der Art und Höhe der geltend gemachten Forderung. In dem Falle entscheidet das Gericht in Besetzung von drei Berufsrichtern.

Abschließend muss man erwähnen, dass das zulässige Gruppenverfahren den individuellen Rechtsschutz eines Einzelnen nicht ausschließt. Die Verfolgung von Rechtsansprüchen und Klärung derselben in individuellen Gerichtsverfahren steht dem Einzelnen frei zu, wenn er kein Mitglied der Klägergruppe ist. Der Betroffene kann auch aus der Sammelklage austreten um dann eine individuelle Klage beim Gericht einzureichen.

Aus Initiative der Europäischen Union kam bereits vor ein paar Jahren die Empfehlung, den Bürgern und Unternehmern den Zugang zum Recht damit zu erleichtern, dass die Mitgliedstaaten kollektive Rechtsschutzverfahren in eigene Rechtsordnungen einführen. Weiterhin hat die EU Maßnahmen zur Vereinfachung des Rechtsschutzes getroffen. Das Ziel dieser Maßnahmen ist, die nationalen kollektiven Gerichtsverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch die Schaffung gemeinsamer Grundsätze zu harmonisieren.