Die Strafbarkeit bei Beleidigungen und übler Nachrede im Sport – eine Darstellung der polnischen Regelungen



Der Sport ist heute ein Massenphänomen. Fast jedes Sportgeschehen begleiten obszöne Gesten und beleidigende Schimpfworte sowohl von Seiten der Spieler, als auch des Trainers, Schiedsrichters oder sogar des Publikums. Obwohl Sport durch eine hohe Emotionalität geprägt ist, sind solche Entgleisungen aber nicht sportspezifisch und gehören nicht zum Wesen des Sports.

Die Beleidigung ist in Art. 216 des polnischen Strafgesetzbuches vom 6. Juni 1997 (polnisches Gesetzblatt aus dem Jahr 1997, Nr. 88, Pos. 553 m.Ä.) geregelt. Es handelt sich um ein Vergehen, das gegen die persönliche Würde des Menschen und sein Selbstwertgefühl gerichtet ist. Das Wesen der Beleidigung reduziert sich auf ein solches Verhalten, das innerhalb des allgemeinen kulturellen und sozialen Kontexts einen Ausdruck der Verachtung einer anderen Person darstellt. Beleidigungsfähig sind alle lebenden natürlichen Personen, hier z.B. Sportler oder Schiedsrichter. Im Gegensatz zur üblen Nachrede können im Regelfall nur Einzelpersonen beleidigt werden. Somit werden von Art. 216 § 1 poln. StGB keine Beleidigungen von Personengruppen die sich individuell nicht klar und genau abgrenzen lassen, wie z.B. die Fans der gegnerischen Mannschaft, strafrechtlich belangt. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Beleidigung eines Kollektives ist jedoch unter Umständen möglich, und zwar dann, wenn sich der betroffene Personenkreis deutlich bestimmen lässt und die dazu gehörenden Einzelpersonen individuell identifiziert werden können, sodass sich die Ehrkränkung nicht in der Anonymität verliert. Weiterhin können Beleidigungen durch unterschiedliche Verhaltensweisen ausgedrückt werden, d.h. durch Äußerungen in Wort, Schrift, Bild, Gesten oder auch Tätlichkeiten. Im Gegensatz zu üblen Nachreden ist es dabei nicht notwendig, dass diese Äußerungen einen bestimmten Vorwurf gegen eine andere Person beinhalten, sondern sie können aus einer Tatsachenbehauptung oder einem Werturteil bestehen. Um festzustellen, ob eine Beleidigung vorliegt, ist es wichtig, objektiv die öffentliche Wahrnehmung des bestimmten Verhaltens zu beurteilen. In der Lehre herrscht die Meinung, dass beleidigend nur solche Verhaltensweisen sein dürfen, die allgemein als missbräuchlich angesehen werden. Entscheidend hierfür sind also die allgemein in der Gesellschaft anerkannten moralischen Standards. Das subjektive Empfinden des Betroffenen spielt keine Rolle. Der Art. 216 poln. StGB umfasst drei Begehungsformen: die Beleidigung einer anderen Person in ihrer Gegenwart, in ihrer Abwesenheit aber öffentlich oder in ihrer Abwesenheit aber in der Absicht, dass die Beleidigung sie erreicht. Beispiele für beleidigendes Verhalten sind: die sogenannte Kozakiewicz-Geste, die in Richtung Publikum gerichtete rechte Faust mit dem gleichzeitigen Schlag der linken Hand auf den Oberarm, der sogenannte „Stinkefinger“, das Tippen an die Stirn, Zeigen des nackten Hinterteils sowie Beleidigungen sprachlicher Art.

Die üble Nachrede ist in Art. 212 des poln. StGB geregelt. Geschützt wird hier die (äußere) Ehre, also der gute Ruf eines Subjekts, der als Einschätzung seines Wertes von anderen Menschen verstanden wird. Die Ehre als eine normative Kategorie bedeutet die jedem Subjekt zustehende Vermutung seiner  Aufrichtigkeit, seines richtigen Verhaltens und des Besitzes der für den Beruf oder Ausübung einer bestimmten Tätigkeit notwendigen Eigenschaften. Verleumdungsfähig sind nach Art. 212 poln. StGB andere Personen, Personengruppen, Institutionen, juristische Personen oder Organisationseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit. Es können z.B. Trainer, Schiedsrichter, Sportler sowie Sportvereine bzw. ganze Mannschaften als Adressaten der üblen Nachrede in Betracht kommen. Erforderlich ist, dass der Täter eines der oben genannten Subjekte verleumdet, indem er ihm Handlungsweisen oder Eigenschaften anlastet, die geeignet sind, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder die das benötigte Vertrauen für die gegebene Stellung, den Beruf oder die Art der ausübenden Tätigkeit gefährden können. Dafür reicht also nur die Möglichkeit der Gefährdung aufgezählter Güter. In der Lehre herrscht die Meinung, dass es eher nicht möglich ist, jemanden durch Schrift, eine Geste oder Tätlichkeiten zu verleumden. Der wesentliche Kern dieser Vorschrift besteht darin, dass jemandem Handlungsweisen oder Eigenschaften angelastet werden müssen. Dies würde eine Äußerung verlangen, die eine bestimmte Information beinhaltet, die dem Beweis zugänglich ist. Im Gegenteil zur Beleidigung erfasst die üble Nachrede das Behaupten einer Tatsache, nicht aber eines Werturteils. Der Täter handelt dann im Sinne des  Art. 212 poln. StGB, wenn er eine Tatsache behauptet oder verbreitet. Darüber hinaus kann unter bestimmten Bedingungen auch das Behaupten oder Verbreiten wahrer Tatsachen strafbar sein. Beispiele sind: als verleumderisch wirkende Zwischenrufe von Fans, die einen Fußballverein als „Diebe, die das Spiel verkauften“ bezeichnet haben oder einem angeblich „gekauften“, d.h. korruptem Schiedsrichter galten.

Die subjektive Seite der Tatbestände Beleidigung und üble Nachrede verlangt einen Vorsatz (dolus directus oder dolus eventualis reichen). Sowohl Beleidigung als auch üble Nachrede stellen nach polnischem Recht Taten dar, die mit relativ milden Strafen geahndet werden (Beleidigung und die üble Nachrede werden im Grundtatbestand mit Geldstrafe oder Freiheitsbeschränkungsstrafe geahndet). Die Verfolgung beider Straftaten findet auf dem Rechtsweg der Privatklage statt. Die Initiative der Strafverfolgung geht meist vom individuell Geschädigten aus, da der staatliche Apparat kaum Interesse daran hat, solche Arten der Kriminalität zu bekämpfen. Zu Gerichtsverfahren kommt es daher selten, da hier die Normen und Gewohnheiten des Soziallebens, die im Sport angenommen werden können oder auch nicht akzeptabel sind, eine wichtige Rolle spielen.

Bei genauer Betrachtung muss man bestimmte Verhaltensweisen mit sozialen Normen vergleichen. Der Bereich des Sports ist durch eine große Bandbreite der Toleranz gekennzeichnet. Teilweise ergibt sich dies aus den unzertrennlich mit dem Sport verbundenen Emotionen, die Fans, Sportler, Trainer und Schiedsrichter bei jedem Wettkampf erleben. Wegen diesem hohen Grad der Emotionalität wird manches Verhalten, das unter normalen Umständen als Beleidigung oder üble Nachrede qualifiziert werden könnte, im Sport nicht als solches gewertet. Hinzu kommt, dass es im polnischen Strafrecht Gründe gibt, die die „strafrechtliche Verantwortlichkeit“ (Strafbarkeit) ausschließen. Diese sind:

a) die Rechtfertigungsgründe, die als Konträrtypen bezeichnet werden,
b) die Gründe die die sog.“Sozialschädlichkeit der Tat“ ausschließen,
c) Schuldausschließungsgründe.

Zu beachten sind vor allem: Art. 213, Art. 216 § 3 („Provokation“ und „Retorsion“), Art. 1 § 2, Art. 1 § 3  des polnischen Strafgesetzbuches.